Gesetzliche Grundlage
Informationsweitergabe gestützt auf eine gesetzliche Grundlage
Status: definitiv
EINLEITUNG
Bei der Weitergabe von Informationen gestützt auf eine gesetzliche Grundlage braucht die an die Schweigepflicht gebundene Fachperson die betroffene Patientin oder den betroffenen Patienten nicht vorgängig um eine Einwilligung zu ersuchen. Im Einzelnen wird zwischen Meldungen und Auskünften unterschieden:
- Meldungen erfolgen spontan durch die Fachperson, und sie bestimmt deren Umfang.
- Auskünfte erteilt die Fachperson nur auf Anfrage hin, und der Umfang wird von der anfragenden Person oder Stelle bestimmt.
WANN MÜSSEN MELDUNGEN OHNE BEFREIUNG VON DER SCHWEIGEPFLICHT ERFOLGEN?
(MELDEPFLICHTEN)
In Ausnahmefällen ist die Fachperson verpflichtet, von sich aus und ohne Aufforderung eine Mitteilung an eine bestimmte Behörde vorzunehmen. Zu beachten sind insbesondere folgende Meldepflichten:
2.1 Meldung ausserordentlicher Todesfälle
Artikel 28 Absatz 1 GesG sieht eine Meldepflicht an die Strafverfolgungsbehörden bei aussergewöhnlichen Todesfällen vor. Im Rahmen der Meldung sind Dokumente nur soweit
herauszugeben, wie sie direkt mit dem Tod der verstorbenen Person in Zusammenhang stehen.
2.2 Meldung übertragbarer Krankheiten
Artikel 27 des Epidemiengesetzes verpflichtet Ärztinnen und Ärzte sowie Laboratorien zur Meldung von gewissen übertragbaren Krankheiten. Die Melde-Verordnung und die Verordnung des EDI legen im Einzelnen fest, welche Meldungen an die zuständigen Behörden vorgenommen werden müssen.
2.3 Meldepflicht bei Entlassung aus fürsorgerischer Unterbringung
Die für die Entlassung zuständige Einrichtung hat die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde und einen allfälligen Beistand/eine allfällige Beiständin rechtzeitig über die bevorsehende Entlassung zu orientieren, damit die Nachbetreuung organisiert werden kann (Art. 31 KESG, BSG213.316).
AUSKUNFTSPFLICHT GEGENÜBER UNFALLVERSICHERERN
Nach Artikel 54a des Unfallversicherungsgesetzes (UVG SR832.20) müssen Leistungserbringerinnen und –erbringer den Unfallversicherern alle Angaben machen, die sie benötigen, um Leistungsansprüche von Verunfallten zu prüfen. Erfolgt eine entsprechende Anfrage durch einen Unfallversicherer, müssen die entsprechenden Auskünfte ohne Befreiung von der Schweigepflicht durch die betroffene Person oder das Kantonsarztamt erteilt werden.
WANN DÜRFEN MELDUNGEN OHNE BEFREIUNG VON DER SCHWEIGEPFLICHT ERFOLGEN?
(MELDERECHTE)
In bestimmten Fällen dürfen Mitteilungen an bestimmte Stellen auch vorgenommen werden, ohne dass die Fachperson von der Patientin/dem Patienten oder vom Kantonsarztamt von der Schweigepflicht befreit werden muss. Entscheidend bei solchen Melderechten ist, dass es im Ermessen der Fachperson liegt, ob sie eine Meldung machen will oder nicht. In der Praxis sind insbesondere folgende Melderechte von Interesse (keine abschliessende Aufzählung):
4.1 Melderecht nach Gesundheitsgesetz bei gewissen Straftaten
Nach Artikel 28 Absatz 2 GesG dürfen Fachpersonen den Strafverfolgungsbehörden (Polizei, Staatsanwaltschaft) ohne Befreiung von der Schweigepflicht Wahrnehmungen melden, die auf ein Verbrechen oder Vergehen gegen Leib und Leben (z.B. Körperverletzung, Tötung), die öffentliche Gesundheit (z.B. Verbreiten menschlicher Krankheiten) oder die sexuelle Integrität (z.B. Vergewaltigung) schliessen lassen.
4.2 Melderecht nach Gesundheitsgesetz betreffend Gemeingefährlichkeit
Nach Artikel 28 Absatz 3 GesG dürfen Fachpersonen den zuständigen Behörden ohne Befreiung von der Schweigepflicht Wahrnehmungen bei Personen melden, die sich im Straf- oder Massnahmenvollzug oder im Vollzug der fürsorgerischen Unterbringung befinden, wenn die Beobachtungen auf Gemeingefährlichkeit bzw. auf eine Veränderung der bereits festgestellten Gemeingefährlichkeit schliessen lassen.
4.3 Meldungen betreffend Fahreignung
Nach Artikel 15a Absatz 3 des Strassenverkehrsgesetzes7 dürfen Ärztinnen und Ärzte der Aufsichtsbehörde (im Kanton Bern also dem Kantonsarztamt) oder dem Strassenverkehrsamt Personen, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes zur sicheren Führung von Motorfahrzeugen nicht (mehr) fähig sind, ohne Befreiung von der Schweigepflicht melden.
4.4 Melderecht, wenn bei hilfsbedürftigen Personen ernsthafte Gefahr besteht
Besteht die ernsthafte Gefahr, dass eine hilfsbedürftige Person sich selbst gefährdet oder ein Verbrechen oder Vergehen begeht, mit dem sie jemanden körperlich, seelisch oder materiell schwer schädigt, sind Personen, die dem Berufsgeheimnis unterstehen, ohne Befreiung von der Schweigepflicht berechtigt, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Mitteilung zu erstatten (Art. 453 ZGB8).
4.5 Melderecht nach Strafgesetzbuch bei strafbaren Handlungen gegenüber Minderjährigen
Nach Artikel 364 StGB dürfen die nach Artikel 321 StGB zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichteten Fachpersonen der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde ohne Befreiung von der Schweigepflicht eine Meldung machen, wenn an einer minderjährigen Person eine strafbare Handlung begangen wurde.