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Lymphödem

Lymphödem bei chronischen Wunden

Status: definitiv

Ziele

  • Koordiniertes Vorgehen aller an der Behandlung beteiligten Personen
  • Sach- und fachgerechte Kompressionstherapie, die an das Krankheitsbild des Patienten angepasst ist
  • Förderung des Wundheilungsprozesses und der Lebensqualität, Vermeiden von Komplikationen und
    Rezidiven

Definition

Das Lymphgefässsystem stellt ein Rücktransportsystem für lymphpflichtige, eiweißhaltige Substanzen innerhalb des Organismus dar. Der Funktionsmechanismus ist gewährleistet über ein Druck-Saug-System, welches durch eine aktive Kontraktion unterstützt wird.

Das Lymphödem ist die Folge eines Versagens des beschriebenen Mechanismus. Es ist eingeteilt in:

  • Primäres Lymphödem: hier liegt ein angeborener Schaden des Lymphsystems vor. Dabei kann sich ein Lymphödem direkt nach der Geburt oder kurze Zeit später oder auch erst in späteren Lebensjahren
    manifestieren. Am häufigsten geschieht dieses in der Pubertät.
  • Sekundäres Lymphödem: Typisch für Wundpatienten. Unterschiedliche Ursachen sind bekannt:
    Schädigung der Lymphwege durch Verletzung, Verschluss der Lymphbahnen bei Tumorwachstum,
    durch Narbenbildungen (OP, Bestrahlung), durch Bindegewebsüberlastung, durch Infektionen.

Einteilung: Lymphödeme werden in vier Stadien eingeteilt:

  • Stadium 0:
    keine Schwellung , path. Lymphszintigramm
  • Stadium I:
    weiches Ödem, Hochlagern der betroffenen Extremität führt zur Reduktion der Schwellung
  • Stadium II:
    Ödem mit Gewebeveränderungen, Hochlagern der betroffenen Extremität führt nicht zur Reduktion der Schwellung
  • Stadium III:
    Hartes Gewebe (Fibrose) mit Schwellung und teils bestehenden Lymphpapeln.

Chronische Wunden können unter anderem als Folge des pathologischen Stauungszustandes entstehen, und zwar bei Lymphödemen und bei Phlebödemen. Eine maximal effektive Entstauung ist als ursächliche Therapie daher erforderlich.

Klinik

Wichtigste Methode der Diagnosestellung: präzise Anamnese, Blickdiagnose bzw. klinische Untersuchung. Die apparative Diagnostik ist erforderlich zur Differenzierung eines Lymphödems und eines Phlebödems (meist irreversibel) und nach Phlebödem (häufig reversibel nach gefäßchirurgischer Therapie). Typische, für das Lymphödem einzigartige Zeichen sind:

  1. Beteiligung der Finger bzw. Zehen
  2. fehlende Fältbarkeit der Haut des Finger- bzw. Zehenrückens („Stemmersches Zeichen“)
  3. Veränderung des Zehenquerschnittes
  4. fixierte, nicht verstreichende Faltenbildungüber Zehengrundgelenken

Therapie

a) konservatives Vorgehen Komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE).

  1. akute Entstauungsphase I
    - Dient der Mobilisierung und Eliminierung des Ödems
    - (1-2 mal täglich)
    - Danach angepasster Kompressionsverband mit Kurzzugbinden
    - Infektionsprophylaxe (Zehenzwischenräume, intertriginöse Areale)
    - Bewegungsübungen: ggf. unter Anleitung Physiotherapie, Bewegung in Eigenregie nach adäquater Einweisung
  2. Erhaltungs- und Optimierungsphase II
    - Diese Phase sollte ohne Unterbrechung der Phase I folgen
    - 1-3x/Woche kontinuierlich
    - Kompressionstherapie: im Anschluss an die manuelle Behandlung, z.B. in Form von Kompressionsbinden und/oder Kompressionsstrümpfen, mindestens mit Kompressionsklasse II
    - Pelotten zur Erhöhung des Drucks im Bereich des Ödems können zusätzlich in die Kompression eingearbeitet werden
    - Manuelle Lymphdrainage im Bereich der Wunde dient zusätzlich zur Förderung der Ödemreduktion
    - Hautpflege: mit regelmäßig bedarfsangepasster Anwendung von hochwertigen Hautpflegemitteln
  3. Bewegungsübungen
    - Aktivierung der Waden-, Sohlen- und Sprunggelenkspumpe zur Verbesserung der Mobilität
  4. Infektionsschutz
    - Zwingend notwendig, da Infektionen das Ödemrisiko steigern
  5. Hautschutz
    - Mit hochwertiger Hautpflege, um Hautläsionen und somit Infektionsquellen (Gefahr des Erysipels mit Schädigung noch vorhandener Lymphbahnen) zu vermeiden

b) Intermittierende apparative Kompression

  • Pneumatische Manschetten an Extremitäten, welche durch eine Pumpe mit vorgegebenen, angepasstem Schema befüllt bzw. entlüftet werden mit hierdurch resultierender von peripher nach zentral laufender Druckwelle, deren Amplitude nicht über 20 mmHg sein darf.
  • Keine Anwendung nach proximaler Lymphknotenentfernung
  • Diese Therapie ist lediglich zusätzlich zur manuellen Lymphdrainage zu nutzen und ersetzt diese in keinem Fall

c) operatives Vorgehen

ist nur in Ausnahmefällen indiziert, aufwendig und ausschliesslich in einem dafür spezialisierten Zentrum durchzuführen.

Kontraindikationen

  • Vgl. auch Behandlungsstandard Kompression
  • Akute Verlegung der Lymphabstromwege
  • Systemische Entzündungen wie z.B. Phlegmone, Fasziitis, septische Phlebitis
  • Dekompensierte Herzinsuffizienz
  • Fortgeschrittene periphere arterielle Durchblutungsstörung: pAVK im Stadium III-IV nach Fontaine oder Knöchel-Armdruck-Index < 0,5

Relative Kontraindikationen

  • Lokale Infektion
  • Lymphadenitis
  • Maligne Lymphödeme

Risiken / Nebenwirkungen

  • Unprofessionell durchgeführte Lymphdrainage führt zu zunehmend lymphatischer Stauung
  • Nicht adäquat angelegte Kompression/Kompressionsstrümpfe können zu Hautschädigungen, und Schnürfurchen sowie zur Schädigung von Nerven durch Druck führen

Grundsätzliches

  • Vergleiche auch Behandlungsstandard Kompression bei chronischen Wunden
  • Die Behandlung erlangt ihre volle Wirkung erst in Verbindung mit aktiver Bewegung!
  • Nur unter Aufklärung/Einbeziehung des Patienten kann eine optimale Behandlung und Wirkung gelingen
  • Die Behandlung beginnt zunächst im Gesunden, nicht gestauten Lymphgebiet, womit eine Steigerung des Lymphtransportes bewirkt wird, die wiederum einen Sogeffekt auf die ödematösen Areale zur Entstauung bewirkt. Im Weiteren werden Fett- und Bindegewebsanteile gelockert und reduziert.
  • Es kann sich bei der manuellen Lymphdrainage auch um eine langfristige Behandlung handeln, die in einigen Fällen lebenslang durchgeführt werden muss